Team Lesezeit 5 Minuten Donnerstag, 08.07.2021

Eiter wie heiter

Im Gespräch mit Sepp Eiter, einem der sympathischsten Wirte Tirols in dem höchst gelegensten Kaffeehaus Europas.

Treffpunkt auf 3.440 m Seehöhe

Was früher nur ambitionierten Bergsteigern nach vielen Stunden mühsamen Aufstiegs vorbehalten war, ist mir heute in zwanzig Minuten gelungen. Mit dem Gletscherexpress und der Wildspitzbahn ist es keine Hexerei auf den Pitztaler Gletscher zu kommen.

Nur die Höhe ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ob mir wirklich die dünne Luft den Atem raubt oder der Anblick der faszinierenden Berggipfel rundherum, weiß ich nicht genau.

Ich bin erstmal sprachlos, als ich das Café 3440 betrete. Ich befinde mich in einem modernen Bau mit schwebender Terrasse und viel Fensterglas, das einen unfassbar schönen Blick auf den Gletscher und vielen Bergspitzen der östlichen Alpen frei gibt.

Ein hochgewachsener Mann kommt die Trepper herunter. Er hat einen weißen Bart und einen an den Spitzen gedrehten Schnauzer, der mich an Salvator Dali erinnert. Das muss der Wirt sein, den ich heute interviewen darf. „Ich bin der Sepp Eiter,“ stellt er sich vor. „Eiter wie heiter.“ Ein ebenso freundliches wie spitzbübisches Lachen kommt mir entgegen, das sehr ansteckend ist. Wir setzen uns. Ich freue mich auf das Gespräch mit ihm.

Ein Kraftplatz

„Sepp, was liebst du an Deiner Arbeit im Café 3440?“ frage ich. Sepp überlegt kurz. „Es ist immer wieder schön zu sehen, wie ehrfürchtig und demütig die Menschen sind, wenn sie hier heraufkommen. Sie sind glücklich und wissen nicht warum. Sie können diese Energie nicht einordnen. Ich kann es.“ lächelt Sepp und klärt mich auf.

„Der Hintere Brunnenkogel, auf dem das 3440 steht, ist ein einzigartiger Kraftplatz. Die Weite, die sich nach allen vier Himmelrichtungen eröffnet, ist so faszinierend, dass es viele sprachlos macht.“

Ich muss ihm zustimmen, schließlich ist es mir vorhin genauso ergangen.

Die Nähe zum Gast

Sepp erklärt weiter: „Schön ist auch, dass es ein kleines, charmantes Café ist. Ein persönlicher Kontakt mit jedem einzelnen Gast ist möglich. Die Nähe zu den Gästen ist mir sehr wichtig.“ Das spürt man, deshalb fühlt man sich auch so willkommen.

„Ich habe ein tolles Team an meiner Seite, wir verstehen uns gut und gehen sehr respektvoll miteinander um. Wenn man den ganzen Tag in einem Raum verbringt, ist das besonders wichtig.“

„Kommen manche Gäste extra wegen Dir herauf?“ möchte ich wissen. „Oh ja,“ sagt Sepp sofort, fügt aber dann etwas verlegen hinzu: „Ich will nicht eingebildet klingen, aber manche gehen gleich wieder, wenn ich nicht da bin und kommen zurück, wenn ich wieder im Einsatz bin.“

Er zuckt lächelnd mit den Schultern. „Das ist einfach so“. Das glaube ich ihm aufs Wort. „Bei mir sind alle Menschen gleich, ganz egal wer sie unten im Tal sein mögen. Ich bin mit allen per Du, ein Sie gibt es bei mir nicht“.

Ab 1.000 Meter Seehöhe ist das überall in Tirol so, auf über 3.000 Meter vermutlich drei Mal so fix.

Flirten muss sein

Sepp flirtet gern, das ist Teil seiner Gastfreundlichkeit. Er macht es jedoch auf eine sympathische, sehr unaufdringliche Art. „Flirten tut jedem gut,“ schmunzelt er. „Das Flirten ist rein platonisch zu verstehen,“ stellt Sepp klar. „Ich bin seit über 33 Jahren in die gleiche Frau verliebt. In meine Elisabeth.“

Auch das glaube ich ihm aufs Wort, seine Augen leuchten, als er das sagt.

Als nächstes fällt mein Blick auf die Fliege aus Holz, die er an seinem Hemd trägt. „Ich mag Holz vor der Hütte,“ erklärt er. Ich muss lachen.

Die Herausforderungen der Höhe

„Gibt es besondere Herausforderungen für einen Gastbetrieb in so einer Höhe?“ Er nickt. „Das Wasser kocht schon bei knapp 90 Grad, es wird nicht richtig heiß.“ Deshalb war es auch schwierig, die Kaffeemaschinen richtig einzustellen. Ein guter Kaffee gehört nun mal zu einem Café, das ist das Um und Auf.”

„Das Aroma kommt in dieser Höhe viel schneller zur Entfaltung, das ist ein Vorteil“. Das gilt übrigens auch für Wein.

Sepp bietet ausgezeichnete Weine von den Winzern des Tiroler Oberlandes im Café an. „Wir veranstalten auch immer wieder Weinverkostungen.“

Woher kommt das Wasser?

„Das Wasser wird in Containern mit Tanks vom Tal herauf transportiert. Es ist wichtig, den ungefähren Tagesbedarf abzuschätzen.“

Frisches Wasser ist gerade für die Qualität des Kaffees von großer Wichtigkeit, deshalb sollte das Wasser täglich frisch geliefert werden. An stark besuchten Tagen können das schon mal 3.000 Liter sein, die gebraucht werden.

„Das Abwasser wird in Tanks wieder ins Tal gebracht,“ erklärt Sepp. „Natürlich nicht in den gleichen,“ fügt er schmunzelnd hinzu.

„Aber bitte mit Sahne“ auf 3.440 Metern

Zu einem richtigen Kaffeehaus gehören Torten. Das 3440 hat eine erstaunlich große Auswahl davon.

„Die Torten werden in der Mittelstation angefertigt. Hier heroben würde das nichts werden. Man bräuchte viel zu viel Backmittel, das würde nicht mehr schmecken.“ erklärt Sepp.

Wenn ich mich nicht schon fürs Frühstück angemeldet hätte, würde ich jetzt zuschlagen. Ich muss für ein Stück Torte wohl wiederkommen, nützt nichts.

Heiraten auf Wolke 7

Was ich nicht wusste: Wir sind hier auch im höchstgelegenen Standesamt Tirols. Sepp erklärt: „40 bis 60 Paare heiraten jedes Jahr im Café 3440. Die meisten sind nur zu zweit, es gibt aber auch große Feiern mit bis zu 100 Personen. Die Sperrstunde ist etwas früh angesetzt, um 15:30 Uhr fährt die letzte Bahn ins Tal.“

„Und wer räumt dann auf?“ frage ich. Sepp antwortet: „Das ist meine Aufgabe. Ich übernachte dann auf einem Feldbett. Es ist zwar kein erholsamer Schlaf, aber zumindest ist dann aufgeräumt.“

Die Dusche im Tal lockt am nächsten Tag umso mehr.

„Traust du die Paare auch?“ frage ich. Es könnte ja sein, dass er auch das übernimmt. Sepp lacht.

„Nein, ich bin kein Standesbeamter. Aber ich halte hin und wieder Hochzeitsreden. Das macht mir Spaß.“ Ich kann mir gut vorstellen, dass Sepp das sehr gut macht, mit Gefühl und einer Brise Witz.

Die Aussichtsplattform

Will man wissen, welche Gipfel zu sehen sind, besucht man die Aussichtsplattform wenige Meter vom Café. Dort hat man einen Rundumblick auf unzählige Berggipfel weit über die Tiroler Grenzen hinaus, die Gipfel sind beschrieben.

„Dieser Punkt ist schon ganz besonders. So einen Blick hat man sonst nirgends.“ sagt Sepp. Zumindest keinen, der so leicht erreichbar ist.

„Ich beobachte es immer wieder,“ fährt Sepp fort. „Jugendliche, die gelangweilt heraufkommen, fangen an zu staunen. Mit dem Blick rechnen sie nie.“

Sepp lacht. „Die Aussichtsplattform ist eine beliebte Selfie-Station gerade für die ganz Jungen geworden.“

Die Zukunft

„Sepp, weißt du schon, wie lange du noch Wirt hier sein willst?“. Sepp muss nicht lange überlegen. „Solange es mir Spaß macht und die Gesundheit mitspielt, denke ich nicht daran, in Pension zu gehen, obwohl ich bald in dem Alter wäre.“

Er senkt seine Stimme, als wollte er mir ein Geheimnis verraten: „Die Höhenluft hält fit. Die nächsten Jahre bleibe ich bestimmt noch.“

Ich finde, das ist eine sehr gute Nachricht. Ich bedanke mich für das Gespräch und habe mir im Geiste schon eine Torte für meinen nächsten Besuch reserviert.

Sollte sie dann nicht mehr da sein, dann mache ich es wie das Stammpublikum von Sepp. Dann muss ich einfach noch einmal kommen.

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